Der Fachkräftemangel ist in den Anwaltskanzleien angekommen. So lautet die Überschrift des Beitrages der Rechtsanwältin und Notarin Fröse-Ehrler im neuesten KammerReport der Rechtsanwaltskammer Hamm. Als Fachkräftemangel werde der Zustand in einer Wirtschaft bezeichnet, in dem eine bedeutende Anzahl von Arbeitsplätzen für Mitarbeiter mit bestimmten Fähigkeiten nicht besetzt werden könne, weil auf dem Arbeitsmarkt keine entsprechend qualifizierten Mitarbeiter (Fachkräfte) zur Verfügung stünden (Definition nach wikipedia).
Schon heute hätten viele Kanzleien Probleme, geeignete Rechtsanwalts oder Notarfachangestellte zu finden. Qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf dem freien Arbeitsmarkt seien „Fehlanzeige!“. Die Suche nach Personal würde immer öfter zu einem ernst zu nehmenden Problem. Dass in Zukunft noch eine deutliche Verschärfung des Mangels an Fachkräften in Anwaltskanzleien stattfinden werde, gelte als sicher, stellt Frau Rechtsanwältin und Notarin Fröse-Ehrler in ihrem Beitrag fest.
Der Fachkräftemangel habe verschiedene Ursachen. Seit Jahren sei die Zahl der Auszubildenden rückläufig. Dabei würden viele Faktoren greifen. So die demografische Entwicklung, der Qualifizierungsstand der Bewerberinnen und Bewerber, aber auch eine geringe Attraktivität der Ausbildung und des Berufsbildes seien verantwortlich für diesen Zustand.
Als Rekrutierungshindernis würden in erster Linie die häufig vergleichsweise geringe Ausbildungsvergütung oder auch abweichende Gehaltsvorstellungen nach der Ausbildung genannt. Aber reiche es, ein paar Euro draufzulegen, und die Mitarbeiterin sei zufrieden? Wohl nicht, lautet die Antwort auf die von der Autorin gestellte Frage. Andere Faktoren spielten eine erheblich größere Rolle. Die ambitionierten, gut qualifizierten jungen Leute, die man sich in den Kanzleien als Azubis wünsche, würden eine interessante, vielseitige Ausbildung erwarten. Sicher, so die Autorin, Lehrjahre seien keine Herrenjahre, und so mussten die Lehrlinge schon immer die niederen Arbeiten in der Kanzlei erledigen - nur bitte nicht den ganzen Tag. Wir (gemeint ist wohl die Anwaltschaft einschließlich der Notare) sind es den jungen Leuten und uns selbst schuldig, dass sie trotzdem ihren Beruf in all seinen Facetten erlernen, damit sie im Verlaufe der Ausbildung und erst recht nach deren Beendigung zuverlässige, hoch qualifizierte Mitarbeiter werden, so Frau Rechtsanwältin und Notarin Fröse-Ehrler in ihrer selbstkritischen Betrachtung.
Auszubildende müssten integriert, nicht ausgegrenzt werden. Wer sich im Team wohlfühle und anerkannt werde, habe große Anreize, schnell zu lernen und sich für die Kanzlei einzusetzen. Chefs sollten deshalb den Zusammenhalt der Mitarbeiterinnen bewusst fördern, so ihre Empfehlung an die Kolleginnen und Kollegen ihres Berufsstandes. Hilfreich sei es, wenn sich von Anfang an eine erfahrene Mitarbeiterin Zeit für die junge Kollegin nehmen würde, nicht nur um das fachliche Können zu entwickeln, sondern auch die Persönlichkeit der Auszubildenden.
Nach Abschluss der Ausbildung würden die jungen Frauen und Männer überdurchschnittlich oft in andere Branchen wechseln, weil sie zum Beispiel häufig zu geringe zu geringe Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten im Anwaltsbüro sähen. Um Mitarbeiterinnen eine Perspektive zu bieten, sei es aber wichtig, die Karrierechancen anhand der persönlichen Stärken und betrieblichen Strukturen individuell mit jedem Einzelnen zu besprechen und mögliche Wege aufzuzeigen. Auch das Verhältnis zum Chef spiele eine nicht zu unterschätzende Rolle. Regelmäßige Gespräche mit jedem einzelnen Mitarbeiter und dem gesamten Team seien deshalb für das Betriebsklima ebenso wichtig wie für die Weiterentwicklung der Kanzlei. Ein Chef, der keine Widerworte dulden würde und immer recht habe, sei nicht mehr zeitgemäß, so die Autorin.
Erhebliche Bedeutung für den Mangel an geeigneten Rechtsanwaltsfachangestellten habe schließlich die mangelnde Nutzung des vorhandenen Erwerbspotentials, d. h. wer einmal für längere Zeit, etwa um Kinder zu erziehen, aus dem Beruf ausgestiegen sei, komme selten zurück. Jeder wisse, wie schnell sich das Recht ändere. Schon nach einer Pause von wenigen Jahren seien erhebliche Anstrengungen erforderlich, um die vorhandenen Kenntnisse zu aktualisieren. Gute Qualifizierungsangebote seien in diesem Bereich selten. Die unsystematische und meist auf Eigeninitiative der Mitarbeiterin basierende Weiterbildung sei oft wenig geeignet, das vor der Pause vorhandene Potenzial schnell wieder abrufen zu können. Hier seien die Kammern aufgerufen, hochwertige Angebote für Wiedereinsteigerinnen zu unterbreiten, natürlich zu bezahlbaren Preisen und auch für Mitarbeiterinnen, die noch keinen neuen Arbeitsplatz gefunden hätten.